Am 23. Oktober 2006 fand im und vor dem Budapester Parlement unter massiven Sicherheitsvorkehrungen das offizielle staatliche Festprogramm zum Gedenken an den Aufstand der Ungarn im Jahre 1956 statt. Unter den Staatsgästen aus fünfzig Ländern befand sich auch der deutsche Bundespräsident Köhler. Der ungarische Staatspräsident László Sólyom sagte aus Sicherheitsgründen ab.
(Ohne Kommentar)
Die Fidesz hatte zu einer alternativen Festkundgebung geladen, der 100.000 friedliche Demonstranten folgten. Fidesz-Chef Viktor Orbán forderte in seiner Rede wieder, dass über die Fragen des Bildungswesens, über Grund und Boden, das Gesundheitswesen und über demokratische Entscheidungen verbindliche Volksabstimmungen stattfinden müsse. Für die Initiative sind 200.000 Stimmen erforderlich. Für die Bestätigung der Abstimmung und damit ihrer Gültigkeit müssen die Hälfte der Teilnehmer zugestimmt haben.
Allerdings müssen das gleichzeitig auch ein Viertel aller Wahlberechtigten sein. Orbán sprach sich gegen die Gewalt bei Demonstrationen aus. Seiner Meinung nach habe in Ungarn die “Wende” nur halb stattgefunden, weil die Verantwortlichen für den Bankrott des Sozialismus nicht zur Verantwortung gezogen worden sind. In vielen anderen ungarischen Großstädten fanden friedliche Demonstrationen statt, die den Rücktritt des demokratisch gewählten Ministerpräsidenten Gyurcsány velangten.
Gleichzeitig begann eine auf tausend geschätzte rechts orientierte Gruppe, von denen sich auch viele vermummt hatten, die Gegend um das Astoria und am Westbahnhof zu blockieren. Der Polizei geland es nicht, diese Blockaden aufzubrechen. Deshalb erhielt sie den Befehl, mit “Paprika”-Tränengas, Knüppeln, Gummigeschossen und gefärbtem Wasser aus Wasserwerfern die Blockaden der militanten Demonstranten aufzubrechen. Die (noch) nicht bestätigte Verwendung von Nervengaspatronen, die Betroffene in die Fernsehkameras zeigten, lasse ich bewusst noch weg. Diese Aktionen zeigten auch landesweit alle ungarischen Fernsehstationen. Der polizeiliche Einsatz führte zu vielen Verletzten. Den Höhepunkt bildete der Einsatz von Gummigeschossen, die aus geringer Distanz schwere körperlich Verletzungen hervorrufen. Schlussendlich sollen es nach Presseberichten vom Folgetag 100 Verletzte gewesen sein.
Andere Gruppen rechtsorientierter Demonstranten zog Parolen rufend und Fahnen schwingend durch die Hauptstadt, um sich dann an der Stephansbasilika zu treffen. Gábor Demszky, Oberbürgermeister der Hauptstadt, äußerte sich in einer ersten Stellungnahme, dass er über die staatliche Maßnahme nicht in Kenntnis gesetzt worde sei und mit dem Vorgehen nicht einverstanden sei.
Am Abend der Feierlichkeiten gelangten aber trotz allen Einsatzes der Polizei und der Bereitschaftspolizei Gruppen der Demonstranten zum Paradeplatz, wo das Denkmal der Märtyrer von 1956 eingeweiht wurde, und störten mit Pfiffen und Sprechchören, in denen Sie den Rücktritt des Ministerpräsidenten Gyurcsány forderten. Er hatte mit seinen früheren Äußerungen zur Wahllüge die eigentliche Ursache von Demonstrationen und militanten Aggressionen ausgelöst. Auto- und Motorradkorsos in der Hauptstadt sorgten für ein zusätzliches Verkehrschaos.
Unrühmliche Höhepunkte der nicht mehr demokratischen Auseinandersetzungen waren das Kidnapping eines T34-Panzers aus einer Ausstellung, den die Militanten wieder zum Fahren brachten, die Entwendung eines Busses der Stadtlinien, den man für die Auseinandersetzung nutzte und die Verbarridadierung eines Brückenkopfes der Elisabethbrücke, den die Polizei erst gegen 7:00 Uhr am Folgetag auflösen konnte.
Ergebnis: Von angegebene 100 Verletzten sind auch 30 Schwerverletzte (und nicht nur Militante!) zu beklagen. Am Folgetag wurde eine “Not”-Sitzung des Palaments anberaumt.
Ich habe mich als “außenstehender” Freund Ungarn bewusst einer Kommentierung enthalten. Es fehlen mir noch die Analysen dieser Tage und eine Menge Hintergrundinformationen. Eines steht fest: Das Ziel rechtfertigt diese Mittel nicht! Ich denke, dass viele Ungarn durch die nicht konsequente Aufarbeitung des kommunistischen Regimes noch nicht in der Demokratie angekommen sind - in der EU sowieso noch nicht!
Ich erlaube mir diese eigene Meinung, weil ich von 1978 bis 1981 im ungarischen Sozialismus gelebt habe und ebenso wie die Ungarn das Gestern und Heute diese so interessanten Landes [dem ich es verdanke, dass ich das menschenverachtende ostdeutsche Regime verlassen konnte] beurteilen kann. Ob allerdings “Paprika”-Gas eine demokratische Lösung zur Verteidigung der Demokratie ist, wage ich zu bezweifeln. Vielleicht sollte man es einmal im gefüllte Parlament “testen”, damit die gewählten Volksvertreter ihre Meinung dazu überdenken.
Peter Schräpler
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Kommentar von Ina
#1 4. Februar 2012, 11:41 pm Uhr |
Interessanter Beitrag. Werde hier öfter mal vorbei schauen. Gruß, Ina.