Ferenc Gyurcsany hat seine Rede nach den Demos vom November 2006 in Budapest vollständig in seinem WebBlog veröffentlicht -
hier lesen Sie einige Übersetzungen aus einer Tonbandaufzeichnung.

Ferenc Gyurcsany: Einer der wenigen wirklich aufrichtigen Politiker!

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Gyurcsanys Rede in Ausschnitten: “Weil wir’s verschissen haben”

Eine Rede des ungarischen Regierungschefs Ferenc Gyurcsany vor einem internen Forum der ungarischen Sozialisten im Mai dieses Jahres sorgt nun in Ungarn für Wirbel. Ihm wird vorgeworfen, zugegeben zu haben, dass seine Regierung in den vergangenen Jahren “gelogen” habe. Demonstranten verlangten daraufhin in Protestkundgebungen am Sonntagabend in Budapest die Abdankung des Premiers. Die Rede war kurz nach Amtsantritt der neuen sozialliberalen Regierung nach ihrer Wiederwahl im Frühjahr gehalten worden. Am 1. Oktober stehen in Ungarn Kommunalwahlen an.

Als Reaktion auf die Proteste veröffentlichte Gyurcsany am Montag den gesamten Text seiner Rede, in der es um die anstehenden Wirtschaftsreformen und die hohe Staatsverschuldung geht, in seinem Weblog.

Der veröffentlichte Text beruht auf dem Transkript einer Tonbandaufnahme. Im Folgenden einige Wortlautauszüge in einer Übersetzung der APA:

“Was wir im vergangenen Monat machen konnten, haben wir getan. Was wir in den Monaten davor heimlich machen konnten - so, dass nicht in den letzten Wochen des Wahlkampfes Papiere darüber an die Öffentlichkeit kommen, was wir planen -, haben wir getan. Wir haben das Geheimnis bewacht, während wir unterdessen wussten und Ihr wusstet, dass wir uns, falls der Wahlsieg kommt, nachher sehr zusammennehmen und zu arbeiten anfangen müssen - dass wir noch nie solche Probleme hatten. Wir haben die politische Einheit seit vorigem Sommer bewahrt und dahinter sozusagen die fachliche politische Einheit, wie noch nie in den vergangenen Jahren, vielleicht niemals. (…) Wir treiben uns gegenseitig in den Wahnsinn in manchen Punkten, dass wir die notwendige Menge Geld zusammenkratzen können.

(…)

Wir haben fast keine Wahl. Wir haben keine, weil wir’s verschissen haben. Nicht ein bisschen, sondern sehr. In Europa hat man so eine Blödheit noch in keinem anderen Land gemacht, wie wir sie gemacht haben. Das kann man erklären. Wir haben offenbar die letzten eineinhalb, zwei Jahre durchgelogen. Es war ganz klar, dass nicht wahr ist, was wir sagen. Dass wir dermaßen jenseits der Möglichkeiten des Landes sind, wie wir es uns nie vorher von der gemeinsamen Regierung der Ungarischen Sozialistischen Partei und der Liberalen vorstellen konnten. Und was haben wir sonst während der vier Jahre gemacht? Nichts. Ihr könnt keine einzige bedeutsame Regierungsentscheidung nennen, auf die wir stolz sein können, außer jener, dass wir zum Schluss die Regierungsarbeit aus der Scheiße gefahren haben. Nichts. Wenn wir vor dem Land Rechenschaft ablegen müssen, was wir in den vier Jahren gemacht haben, was sagen wir dann?

(…)

Kinder, wir sind nicht perfekt. Überhaupt nicht. Wir werden’s auch nicht sein. Ich kann Euch nicht sagen, dass alles in Ordnung sein wird. Ich kann Euch nur sagen, was ich im vergangenen einen Jahr gesagt habe: dass (wir tun werden), was wir ehrenhaft machen können, was wir fähig sind zu tun. Denn wir spielen keine Extra-Matches, weil wir unsere Energien nicht dafür verwenden, herumzuscheißen, es gibt keine eigenen Interessen, was unter uns sowieso die Öffentlichkeit nicht ertragen würde, weil es nicht irgendwas ist, was ich mit Euch zu Wege bringen will.

(…)

Es ist keine Reform, dass sich die anderen ändern sollen. Es ist keine Reform, dass wir uns so rausstellen und dem Volk das Mantra vorsagen. Die Reform ist, dass wir bereit sind, es in einer ganzen Reihe von Bereichen anders zu bewerten, was wir bisher gedacht und getan haben. Im Vergleich zu dem ist die Aufgabe der ersten Monate, die Aufgabe der Korrekturen, nur ein simpler Zwang, das muss ich gestehen. Ihr irrt Euch, wenn Ihr denkt, dass Ihr die Wahl habt. Ihr habt sie nicht. Ich habe sie nicht. Heute besteht höchstens die Wahl, ob wir versuchen zu beeinflussen, was passiert, oder das ganze Zeug uns auf den Kopf fällt. Unsere Lösung ist sicher nicht vollkommen, Ihr habt Recht, sicher nicht - aber wir wissen keine bessere. (…)

Aber man muss nicht deswegen Politiker sein, weil man von dem so super leben kann. Weil wir schon vergessen haben, wie es ist, Autopolierer zu sein. Sondern deswegen, weil wir diese Sachen lösen wollen. (…) Wir müssen losgehen. Wir müssen wissen, was wir tun wollen. Die ersten paar Jahre werden furchtbar sein, sicher. Es ist völlig uninteressant, dass (nur) 20 Prozent der Bevölkerung für uns stimmen werden. (…) Was wäre einmal, wenn wir nicht unsere Popularität verlieren, weil wir Arschlöcher zueinander sind, sondern weil wir große gesellschaftliche Dinge machen wollen? Und es ist auch kein Problem, wenn wir dann für einige Zeit unsere Popularität in der Gesellschaft verlieren. Wir werden’s dann eben wieder zurückgewinnen. Weil sie es einmal verstehen werden.”

Den Text konnten wir mit freundlicher Genehmigung von Michael Stanzer von Civic Education Budapest übernehmen.

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14. November 2006, 22:48 Uhr

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