Die ungarische Minderheit des Landes erwartet nach Übergriffen jetzt Hilfe von Premier Fico. Doch der läßt alle Verbalattacken seines Koalitionspartners Slota bislang bewusst unkommentiert. Die sind jedoch wahre Brandreden.
Von Hans-Jörg Schmidt
Gefragt: Der slowakische Premier Robert Fico soll die Brandreden seiner Koalitionspartner eindämmen
Prag - Nichts ahnend telefonierte am vergangenen Freitag eine 23-jährige Slowakin auf offener Straße in der Stadt Nitra (Neutra) mit ihrem Handy. Da sie ungarischer Abstammung ist, wie ein Zehntel aller Slowaken, sprach sie Ungarisch. Das wurde ihr zum Verhängnis. Mehrere Glatzköpfe umzingelten plötzlich die Studentin, rissen ihr das Mobiltelefon aus der Hand, schlugen auf sie ein, zwangen sie, ihr T-Shirt auszuziehen und schmierten darauf “Ungarn in die Donau!”. Die junge Frau musste verletzt ins Krankenhaus gebracht werden.
Das war der jüngste Fall von ungarnfeindlichen Attacken in der Slowakei, die nach der Bildung der Regierung von Robert Fico, der unter anderem mit der rechtsextremen Nationalpartei koaliert, zugenommen haben. Besonderes Betätigungsfeld für die Fremdenfeinde scheinen die Fußballstadien zu werden. In Banska Bystrica (Neusohl) entrollten sie jüngst bei einem Erstligaspiel ein riesiges Transparent mit der Aufschrift “Tod den Magyaren!”. Auch die so gescholtenen Ungarn geben nicht klein bei. Bei Fußballspielen dort hieß es auf Spruchbändern unter anderem: “Ihr Slowaken bleibt stets unsere Sklaven.”
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Aber auch bei “normalen” Ungarn, egal ob in Budapest, am Balaton oder im nordungarischen Györ, verfinstert sich in diesen Wochen die Miene, wenn man sie zum Beispiel auf den Chef der Slowakischen Nationalpartei, Jan Slota, anspricht. Der hat wiederholt mit ungarnfeindlichen Aussagen für Aufregung gesorgt und die nationalen Leidenschaften auf beiden Seiten der Grenze angeheizt. Die sind geschichtlich begründet: Die Slowakei war rund tausend Jahre eine Provinz Ungarns und wurde auch so behandelt. Das können viele Slowaken bis heute nicht vergessen. Welche absurden Blüten das treibt, kann man unter anderem auf einer Gedenktafel im slowakischen Gabcikovo besichtigen, wo ein gewaltiger Donau-Staudamm seinen Anfang nimmt, der bis ins ungarische Nagymaros reicht. Zu sozialistischen Zeiten war das ein Vorzeigeprojekt beider Staaten. Ausgerechnet auf der erwähnten Tafel gedenkt man dort der “Opfer der Magyarisierung” - und erst an zweiter Stelle der Arbeiter, die beim Bau des Staudamms verunglückten.
Folgt man der Partei der Ungarn in der Slowakei sowie der Führung in Budapest, dann sind die neuen Leidenschaften darin begründet, dass der slowakische Premier Fico alle Verbalattacken seines Koalitionspartners Slota bislang bewusst unkommentiert ließ. Nach dem Überfall auf die Studentin in Nitra platzte dem ungarischen Premier Ferenc Gyurcsány der Kragen. Er appellierte an Fico, endlich sein Schweigen zu brechen und ein klares Zeichen gegen die ungarnfeindlichen Auswüchse zu setzen. Fico tat dies nun auch, verurteilte aber nicht nur den Extremismus in der Slowakei, sondern auch den auf ungarischem Boden. Überdies verwahrte er sich gegen die Ermahnungen aus Budapest, wofür er jetzt wiederum von den Medien im eigenen Land scharf kritisiert wird. Der slowakische Polizeipräsident Jan Packa zeigte sich da handfester. Er kündigte an, notfalls Spezialeinheiten gegen Extremisten einzusetzen. In Ungarn mangelt es dagegen noch an Taten. Dort wurden die Ermittlungen gegen die nationalistischen Fußballrowdys eingestellt.
Artikel, die Welt, erschienen am Di, 29. August 2006
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