Wohin treibt Victor Orbáns Medienrat die Ungarn?

Maulkorb für die Meinungsfreiheit in Ungarn


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Die ungarische Medienbehörde NMHH überwacht seit Sommer 2010 die öffentlich-rechtlichen Medien in Ungarn. Im Dezember 2010 hat nun die rechtskonservative Regierung unter Victor Orbán parlamentarisch beschlossen, ab Januar 2011 auch die privaten Radio- und Fernsehsender, sowie die privaten Zeitungen und Internetportale unter der Leitung von NMHH-Präsidentin Annamaria Szalai, die von Orbán gleich für neun Jahre ernannt wurde, auf rechtskonservative Konformidität auszurichten. Bei Verstößen [gemeint ist: eigene Meinung!] gegen dieses neue Gesetz drohen hohe Strafen, die für kleine Medien das Aus der Meinungsfreiheit bedeuten werden. „Nachtigall, ich hör`Dir trapsen“, könnte man sagen oder besser den treffenden Artikel lesen, den der deutschsprachige Pesterlloyd dazu veröffentlicht hat. Dass so etwas in dem Land, dessen Ministerpräsident ab Januar 2011 den EU-Vorsitz bekommen soll, initiiert wird, grenzt an Perversion der Bedeutung der Meinungsvielfalt und –freiheit. Ob sich die EU in diesem Fall grober Missachtung der Grundregeln der Meinungsfreiheit deutlich engagieren wird oder Frau Merkel als stille Beobachterin Ulbrichtscher Methoden in Ungarn ein Machtwort sprechen wird, zeigt die Zukunft. Für mich ist es einfach unbegreiflich, dass Ungarn sich auf eine Stufe mit Weißrussland stellend, in der EU Platz gefunden hat.

Artikel aus dem Pester Lloyd =

KOMMENTAR: Logik wie in der DDR-Volkskammer
Die Debatte im ungarischen Parlament vom Mittwoch kann als prototypisch für die Diskussions”kultur” im Hohen Hause in den letzten Monaten gelten. Während die größte Oppositionspartei, MSZP, mit einer gesteigerten Hilflosigkeit auf die Gefährdung demokratischer Normen und die Verfassungsfeindlichkeit der Fidesz-Gesetzesvorlagen hinweist, schmettert die Regierungsfraktion jedes Argument mit dem Hinweis auf “öffentliches Interesse” und “Volkswillen” ab und zwar in einer Phrasologie, die an die “Diktatur des Proletariats”-Logik der DDR-Volkskammer ebenso erinnert wie an die befreiungstheologischen Argumentationsketten linkspopulistischer Wahldiktaturen in Lateinamerika. Die Auswirkungen der neuen Gesetzgebung könnten chinesische Verhältnisse zeitigen, nur dass an die Stelle der Verhaftung unliebsamer Journalisten, die finanzielle Vernichtung von nicht konformen Gazetten treten könnte. Blätter voll himmlischen Friedens wären die Folge und sind ganz offenbar auch das Ziel.
Dabei machen sich die Regierenden nicht einmal mehr die Mühe, den Anschein von Logik zu wahren. Wie oben gezeigt, werden in sich völlig gegensätzliche Behauptungen als stichhaltige Begründungen verkauft, es wird gelogen und mit Phrasen gedroschen, dass der Putz von den Wänden fallen möchte. Fällt ihnen nichts Geistreiches mehr ein, verweisen Fidesz-Redner gern auf die Machenschaften der links-liberalen Regierungen der jüngsten Vergangenheit, womit man den gegnerischen Argumenten die größtmögliche Unglaubwürdigkeit verleihen kann. Denn auch beim Thema Medien haben sich die Vorgänger nicht gerade mit Ruhm bekleckert, weshalb die Opposition zwar lautstark, aber eigentlich doch sprachlos ist.
Am Ende stimmt die Zweidrittelmehrheit von Fidesz-KDNP jedes Bedenken nieder, zeigt sich die parlamentarische Demokratie in der hässlichsten ihrer möglichen Ausformungen: als rücksichtslose Diktatur der Mehrheit, die sich legitimiert sieht, auch über bürgerliche Grundrechte hinwegzumaschieren, um sich damit am Ende selbst abzuschaffen.
M.S. ”

Ich bedanke mich beim Pester Lloyd, der es uns mit ausdrücklicher Genehmigung gestattete, auch hier diesen Artikel zu veröffentlichen.

Der European-Circle-Korrespondent Peter Brinkmann sprach darüber mit József Czukor, dem ungarischen Botschafter in Berlin. Lesen Sie das Interview hier!
oder der Artikel im European-Circle über die Abänderung des Mediengesetzes in Ungarn.

Lesen Sie auch einen aktuellen Beitrag vom Januar 2012 über Orbáns Politik im “The European Circle” zur Rede vor dem EU-Parlament in Straßburg

22. Dezember 2010, 20:52 Uhr

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